Angriff ist die beste Verteidigung! Auf der ersten Halbetappe des Schlußtages suchten Klöden und Co. die bedingungslose Offensive; schlugen ein derart hohes Tempo an, daß Ausreißversuche von vornherein völlig unmöglich waren. Ein Stundenmittel von 49,16 km/h Stand am Ende bei der Zielankunft in der City von Münster zu Buche. Und erneut war es der Brandenburger Adler, der auf der Zielgerade abhob und der Konkurrenz erneut das Nachsehen gab. Andre Korff, der in Führung liegend auf die Zielgerade eingebogen war, und auch auf der Innenbahn die günstigere Ausgangsposition hatte, konnte den Angriff des überlegenen Siegers der Sprintwertung dieses Tour nicht abwehren. "Wir wußten, daß auf der nur 70 Kilometer langen Etappe das konsequent hohe Tempo die einzige Chance war, Attacken der Konkurrenz wie am Vortag von vornherein zu verhindern", strahlte Klöden nach dem allseits überraschenden Coup: "Was die Jungs, und besonders Torsten Nitsche heute wieder für mich gearbeitet haben, war phänomenal."
Vor der prächtigen Kulisse des historischen Münsteraner Principalmarktes startete ein Showdown der diesjährigen Niedersachsenrundfahrt, der an Dramatik wahrlich nichts zu wünschen übrig ließ. Auf der Strasse des westfälischen Friedens, zu dessen 350ten Jubiläum dieses Teilstück gefahren wurde, wollten sich die noch 75 im Rennen verbliebenen Fahrer nicht lumpen lassen und schlossen zumindest für die ersten 50 Rennkilometer einen Waffenstillstandspakt. Konstant hohes Tempo, aber keine Angriffe auf den Leader. Erst auf dem von tausenden von Zuschauern gesäumten Rundkurs in Osnabrück nahm das Rennen fast noch eine dramatische Wende. Durch seinen Sieg bei der Sprintwertung bei der ersten Zieldurchfahrt vor Klöden, reduzierte der Amerikaner Chann McRae (Saturn) seinen Rückstand auf den "gelben" auf nur noch vier Sekunden und hatte so die Möglichkeit, im Zielspurt durch die Zeitgutschrift noch den Rundfahrtsieg an sich zu reißen. Spannung also bis zum letzten Zentimeter; doch wieder war es Danilo Hondo, der im Stile eines Eric Zabel erneut sein derzeit überragendes Können unterstrich. Mit seinem fünften Etappensieg '98 stellte er den Rekord von Carsten Wolf aus dem Jahre 1989 ein und schrieb somit Rundfahrtgeschichte. Ein Fakt, der auch für Andreas Klöden gilt, denn sein Vorsprung nach über 1.600 Kilometern von lediglich vier Sekunden war der knappste in der 22jährigen Geschichte der Niedersachsenrundfahrt und eine optimale Visitenkarte für seinen Einstand beim Team Deutsche Telekom.
Michael Kramer